Jusos Miltenberg zur FFP2-Masken-Pflicht

14. Januar 2021

Miltenberg. Am Dienstag, den 12.01., gegen Mittag, verkündete die Staatsregierung zur allgemeinen Überraschung, dass ab der kommenden Woche in Geschäften und öffentlichen Verkehrsmitteln das Tragen einer einfachen Mund-Nasen-Bedeckung („Community-Maske“) nicht mehr ausreichen soll, sondern stattdessen spezielle FFP2-Masken vorgeschrieben sein werden. Die FFP2-Masken zeichnen sich gegenüber Alltagsmasken, etwa Einwegprodukte oder auswaschbare Masken aus Stoff, durch einen höheren Schutzfaktor aus, da Tröpfchen und Aerosole, die das Coronavirus enthalten, wesentlich besser von der Maske abgehalten werden. Insbesondere der Schutz des Trägers/der Trägerin* ist bei einer FFP2-Maske deutlich besser, als bei Produkten niedrigerer Qualität. Deshalb eines ganz klar vorweg: Das Tragen einer FFP2-Maske anstelle einer einfachen Mund-Nasen-Bedeckung ist absolut zu empfehlen; ihr verbessert damit den Schutz für euch und für andere! Warum haben wir also trotzdem etwas zu kritisieren?

Dass Bayern hier im Alleingang nach vorne prescht, ist mindestens kommunikativ unglücklich. Insgesamt wirkt die Ankündigung wie eine „Hauruck-Aktion“. Die Spezifizierung der Maskenpflicht auf ein ganz bestimmtes Produkt, nachdem lange Zeit die Botschaft gesendet wurde, dass auch einfache Stoffbedeckungen ausreichen, hatte so richtig kaum jemand auf dem Schirm. Die Bevölkerung wurde nicht darauf vorbereitet, eine Debatte im Vorfeld nicht geführt. Der Vorschlag, jetzt, wo FFP2-Masken in der Breite zur Verfügung stehen, die medizinisch besseren Produkte in bestimmten Situationen vorzuschreiben, hätte schon seit Wochen in der öffentlichen Debatte diskutiert werden können. So wie etwa im vergangenen Jahr, als die Einführung einer generellen (Alltags-)Maskenpflicht zuvor offen angesprochen wurde. Stattdessen bekommt man den Eindruck, hier wurde ein bisher kaum besetztes Thema von Seiten des Ministerpräsidenten aktionistisch instrumentalisiert, um ein schon länger kultiviertes Image als „Macher“ in der Coronakrise weiter zu festigen (während sich im alltäglichen Krisenmanagement Panne an Panne reiht). Und so führten die überraschenden Push-up-Meldungen der Nachrichtenapps auf den bayerischen Smartphones auch – völlig absehbar – allerorten zu einem Run auf die Apotheken und Drogerien. Bereits am Dienstagnachmittag kam es im Landkreis zu ersten Ausverkäufen in Drogerien [1]. Die nächsten Tage werden zeigen, ob die erst kürzlich hergestellte flächendeckende Verfügbarkeit der FFP2-Masken aufrechterhalten werden kann. Die Erfahrungen aus dem Frühjahr 2020 zeigen, wie schnell Wellen von Hamsterkäufen zu Engpässen selbst bei Alltagsprodukten führen können. Wir stellen daher die Frage: Ist die stetige, ununterbrochene (!) Versorgung der Bevölkerung mit FFP2-Masken gesichert? Kann der Freistaat dauerhaft eine Preisstabilität bei den vorgeschriebenen Masken garantieren?

Gerade für Menschen mit niedrigem Einkommen wird die neue Regelung auf unabsehbare Zeit eine enorme finanzielle Belastung darstellen. Die FFP2-Masken sind deutlich teurer als die einfachen Einwegmasken und anders als „Community-Masken“ aus Stoff sind sie nicht auswaschbar und müssen daher nach spätestens acht Stunden gewechselt werden. Da alle Menschen weiterhin ein-kaufen und viele weiterhin den ÖPNV werden nutzen müssen, bedeutet die daraus entstehende Notwendigkeit, ständig neue FFP2-Masken zu kaufen, einen Fixkosten-Posten für Privathaushalte, der die unteren Einkommensklassen ungleich härter treffen wird, als die oberen und mittleren. Corona macht uns nicht alle gleich, auch wenn wir uns das gerne einreden. Ein wirksames Konzept, wie die sozialen Härten abgefedert werden sollen, gibt es von der Staatsregierung nicht. Am Mittwochnachmittag schob die Staatsregierung immerhin hinterher, kostenlose Masken an Menschen mit Grundsicherung und ohne geregeltes Einkommen verteilen zu wollen. Das reicht aber bei weitem nicht. Auch Menschen mit niedrigem Einkommen, das über der Grundsicherung liegt, werden durch den Kauf der Masken spürbare Einschnitte hinnehmen müssen. Wir fordern: Der Freistaat muss kurzfristig eine Preisbindung auf möglichst niedrigem Niveau bei Produkten gleicher Qualität durchsetzen und perspektivisch allen Menschen die Masken kostenlos zur Verfügung stellen!

Besonders problematisch ist es dann, wenn die CSU in verschiedenen Gliederungen praktisch unverzüglich nach der Verkündung der Regelung die bald Allen vorgeschriebenen Produkte selbst vertreibt. So bewirbt der CSU-Ortsverband Bürgstadt auf seiner Facebook-Seite sein Sonderangebot: 20 Stück für 20 Euro [2]. Der „Fanshop“ der Mutterpartei bietet die Maske mit Parteiwappen für 4,29 € das Stück (momentan ausverkauft, Stand 13.01.2021, 22.26 Uhr) [3]. Es soll hier nicht unterstellt werden, dass die Entscheidung der Staatsregierung zu dem Zweck gefällt wurde, für die Partei Einnahmen zu generieren. Aber alleine die Tatsache, dass die CSU eine Nachfrage bedient, die sie durch ihre politischen Entscheidungen selbst geschaffen hat, zeigt fehlendes ethisches Fingerspitzengefühl einer Dauerregierungspartei. Ob die Maskenverkäufe tatsächlich Geld in die Parteikassen spülen, können wohl nur die Kassierer:innen der jeweiligen Gliederungen sagen. Aber ob nun die Entscheidung für finanzielle Einnahmen oder für Profilierungen genutzt wird, ein mehr als fader Beigeschmack bleibt. Dass die Bürgstädter CSU nur Stunden nach der Verkündung der Entscheidung offensichtlich einen ausreichend großen Vorrat an den FFP2-Masken hat, um eine Rabattaktion für den ganzen Ort zu starten, wirft weitere Fragen auf, deren Antwort leider nicht direkt transparent gemacht wird. Wie kommt der Ortsverein an solch eine Menge? Werden die Masken über oder unter dem Einkaufswert verkauft und weshalb? Ist es die Aufgabe eines politischen Ortsvereins, von der Regierung vorgeschriebene Sicherheitsprodukte zu vertreiben? Oder sollte das nicht lieber staatlichen Stellen und zertifizierten, gewerbetreibenden Händler:innen überlassen werden?

Heikel ist der Maskenvertrieb im CSU-Fanshop übrigens auch unter verbrau-cher:innenschutztechnischen Gesichtspunkten: Denn bei dem Artikel handelt es sich nicht um eine richtige FFP2-Maske, sondern um eine KN95-Maske. Diese Masken chinesischen Standards sind nicht als FFP2-Masken zertifiziert, medizinisch gegenüber den echten FFP2-Masken mangelhaft und dürfen seit dem 1. Oktober nur mit einer Sondererlaubnis vertrieben werden [4]. Trotzdem schreibt die CSU in ihrer Produktbeschreibung irreführend: „Masken der Schutzklassen KN95 (Chinesischer Standard) sind der europäischen Klasse FFP2 gleich zu setzen. Sie verfügen sogar über eine etwas höhere Filterwirkung von mindestens 95 Prozent der in der Luft befindlichen nicht öligen Partikel.“

Fazit: Während die Sinnhaftigkeit, wann immer möglich die FFP2-Maske zu tragen, unbestritten ist, wirkt die Umsetzung der FFP2-Maskenpflicht durch die Staatsregierung wenig durchdacht, schlecht vorbereitet und aktionistisch. Dass am Mittwoch die Ankündigung einer „Kulanzwoche“, in der die Einhaltung der neuen Maskenpflicht noch nicht durchgesetzt werden soll, nachgeschoben wurde, wirkt wie ein Eingeständnis dieses Eindrucks. Dass der eigene Vertrieb dieses neuen Produkts des täglichen Bedarfs offenbar wesentlich besser anläuft und sogar mangelhafte Produkte vertrieben werden, gibt Anlass zu Bauchschmerzen.

[1] Main-Echo.tv: Test: Wo sind FFP2-Masken noch zu bekommen?, URL: https://www.main-echo.de/mediathek/main-echo-tv/test-wo-sind-ffp2-masken-noch-zu-bekommen-sts-18952 (13.01.2021).

[2] CSU-Ortsverband Bürgstadt, Facebook-Post vom 12.01.2021, 22.46 Uhr, URL: https://www.facebook.com/csu.buergstadt/photos/a.790501950967416/5455279927822905/?type=3 (13.01.2021).

[3] CSU-Fanshop: Produkt „Gesichtsmaske KN95“, URL: https://www.csu-fanshop.de/gesichtsmaske-kn95.htm (13.01.2021).

[4] PZ: Vorsicht bei KN95-Masken, URL: https://www.pharmazeutische-zeitung.de/vorsicht-bei-kn95-masken-121990/ (13.01.2021).

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