Überall werden Zeichen gesetzt!

12. April 2022

Jusos erfreut: Regenbogenfahne dieses Jahr auch in Erlenbach

Landkreis Miltenberg. Die Jusos Miltenberg schafften es bereits letztes Jahr, dass in vielen Kommunen im Landkreis Miltenberg die Regenbogenfahne zum 17.5. gehisst wird. Dies ist der internationale Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie, oder kürzer gegen queer-Feindlichkeit. An diesem Datum beschloss die Weltgesundheitsorganisation (WHO), Homosexualität endlich nicht mehr als Krankheit zu definieren. Gleichzeitig ist es in Deutschland ein Tag der Solidarisierung mit allen Opfern der Justiz, die aufgrund des ehemaligen § 175 des Strafgesetzbuches zu Haftstrafen verurteilt wurden (über 50.000 allein in der Bundesrepublik). Noch viele mehr wurden im Zusammenhang mit dem “175er” verrufen und gar sozial ruiniert.

Stetige gesellschaftliche Debatte

Ziel der Jusos war es, ein Zeichen der Solidarität zu setzen und einen Diskurs in Gang zu bringen. Dieser wurde bereits letztes Jahr durch Debatten in den verschiedenen Stadt- und Gemeinderäten, aber ebenso durch Medienberichte und private Diskussionen angestoßen. Schon damals fiel auf: Erlenbach als größte Stadt im Landkreis beteiligt sich nicht. CSU-Bürgermeister Berninger kannte keine Homophobie in Erlenbach, und das tut er auch dieses Jahr nicht. Die SPD-Stadtratsfraktion beantragte nun, dass die Regenbogenfahne auch in Erlenbach zum 17.5. hängen solle. Die CSU hingegen will dieses Zeichen nicht setzen. Die Folge: Eine breite Debatte im Stadtrat, ein eigener Zeitungsbericht zu diesem Thema, die Fahne hängt am 17.5. und sogar insgesamt vier Wochen im Jahr. Jede:r weiß, dass sie nur aufgrund des SPD-Antrags als Zeichen der Solidarität hängt und das Thema ist erneut in der Gesellschaft präsent.

Fragwürdige Verrenkungen

Die Jusos sehen den Vorgang im Stadtrat Erlenbach dennoch problematisch. V.a. die vom Bürgermeister Berninger (CSU) geäußerte Ansicht, es gebe in Erlenbach keine Probleme mit Homophobie, wurde kritisiert. “Ich kann nur davor warnen, zu glauben, Diskriminierungen existierten nicht, nur weil wir sie nicht sehen”, sagt Fabio Calo (Erlenbach). Erlenbach sei keine “Insel der Seligen” in Deutschland. Zudem beinhalte das Thema Queerfeindlichkeit weit mehr als nur Homophobie. Zum Beispiel erführen auch nonbinäre und trans Personen weiterhin strukturelle Diskriminierung, die sich sehr oft auch gewaltsam äußerte. “Kann Herr Berninger wirklich die Hand dafür ins Feuer legen, dass es in Erlenbach keine Menschen gibt, die Queerfeindlichkeit erleben?”, fragte Anne Abb (Kleinwallstadt). Solange queere Menschen nicht überall angstfrei existieren könnten, seien Zeichen der Solidarität v.a. für queere Jugendliche enorm wichtig.

Den Versuch, marginalisierte Gruppen gegeneinander auszuspielen sieht Romy Stein (Kleinwallstadt). Dass auch viele andere Gruppen immer noch systematisch benachteiligt werden, sei leider wahr. Das dürfe aber nicht dazu führen, dass Solidarisierung mit einzelnen Gruppen nicht mehr stattfindet. “Es ist Fakt, dass queer-Sein immernochnicht vollständig akzeptiert wird. Und dann dürfen und müssen wir auch dafür kämpfen. Gleiches gilt für jede andere Gruppe und schließt sich gegenseitig nicht aus.” Den Vorwurf, queere Menschen würden so gegenüber anderen von Diskriminierung Betroffenen hervorgehoben, wollte man daher auch nicht gelten lassen.

Für Andreas Walter (Obernburg) ist der Punkt, dass es sich um einen politischen Antrag und um Wahlkampf handele, nicht nachvollziehbar. Die Gleichberechtigung queerer Identitäten sei im Grundgesetz festgeschrieben und jede:r könne selbst entscheiden, ob er:sie diese Frage politisieren wolle. Letztes Jahr wurde auch vor der CSU-geführten bayerischen Staatskanzlei die Regenbogenfahne gehisst. “Ist das damit auch Parteipolitik? Und damit CSU-Politik, der die Erlenbacher CSU entgegensteht? Und was soll der Wahlkampfvorwurf? Soll künftig 1,5 Jahre vor jeder Erlenbacher Wahl kein Antrag durch eine Fraktion mehr erlaubt sein?”

Für die Jungsozialisten sind dies alles klare Zeichen, dass es nach wie vor viel Handlungsbedarf gebe. Statt dieses solidarische Zeichen einfach entschlossen zu setzen, wie es im übrigen Landkreis funktioniere, müsse in Erlenbach die Symbolik umgedeutet, auf andere Probleme abgelenkt und Wahlkampf vorgeworfen werden. Die Jusos sind sich einig: “Dass die Fahne nun faktisch am 17.5. hängen wird, ist die Hauptsache.” So ziemlich alle, die die Fahnen vor dem Rathaus sehen werden, würden schon wissen, was Ziel des Antrags sei. V.a. die Betroffenen, an die sich die Aktion richtet, würden die Solidaritätsadresse verstehen, und darum ging es der Initiative der Jusos in erster Linie. Samuel Herrmann, designierter Landtagskandidat, meint, wenn es dafür eine gewisse “Begründungsakrobatik” brauche, solle es eben so sein. “Wir werden zudem wie vergangenes Jahr weitere Aktionen folgen lassen, denn die Fahne als Zeichen der Solidarität darf aus unserer Sicht noch lange nicht das Ende der Fahnenstange sein”, sagte der designierte Landtagskandidat abschließend.

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